Hornissenschutz in der Schweiz
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Hornissenleben von Mai bis Juni

 
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Andi Roost
Fotos und Zeichnungen
Andi Roost
Wissenschaftliche Beratung
Vakant
 

 

 

 

 

Das Jahr einer Hornissenkönigin - Nistvorbereitungsphase,
solitäre und kooperative Phase


Anfang Mai ;

Die Temperaturen steigen langsam wieder an. Rechtzeitig zur Obstblüte, doch fehlen durch die lange Kälte im April die Wildbienen, Honigbienen und Hummeln, welche sich noch in der Aufbauphase befinden, um die zahlreich aufgehenden Blüten zu bestäuben.



Tote Hornissenjungkönigin bei der Räumung eines Hornissenkastens Anfang Juni;
sie hat den Winter nicht überlebt!


Die wärmenden Strahlen der Sonne dringen allmählich tiefer und tiefer in den Stamm, in welchem unsere Hornissenkönigin in der Spalte Schutz gefunden hat. Es kribbelt und zuckt in den Gliedern der Hornissenkönigin. Recken, strecken und ein paar erste Schritte in der Spalte Richtung Sonnenlicht. Einem innern Drang und Hunger folgend, verlässt unsere Hornissenkönigin ihren Überwinterungsplatz ohne Wiederkehr. Nachdem sie auf der Stammoberfläche die ersten wärmenden Sonnenstrahlen genossen hat, schwebt sie davon.
Unweit ihres Überwinterungsquartiers beginnt das Siedlungsgebiet. Zahlreiche Gärten, Obstwiesen sind vereinzelt noch vorhanden, Sträucher und Hecken, grosse und kleine Bäume und zahlreiche Nischen und Hohlräume gestalten den Ort ideal. Unsere Hornissenkönigin verpflegt sich an einer blühenden Berberitze, wo sich auch andere Wespen-, Hummel- und Hornissenköniginnen einfinden.
Man geht sich aus dem Weg und dennoch finden sich ab und an mehrere Hornissenköniginnen in einem alten letztjährigen Hornissennest zusammen. Jedoch in getrennten „Zimmern“. Auch unsere Hornissenkönigin hat, angezogen durch den Duft des alten Hornissennestes und der Kotstelle einen Hornissenkasten gefunden und diesen in kühleren Nächten als Quartier bezogen.
Der Drang nach einem eigenen Nistplatz wird grösser. Unsere Hornissenkönigin schaut sich tags drauf in einem nordwest ausgerichteten offenen Dachstock um. Doch das „Klima“ und die Ausrichtung zur Sonne stimmen nicht, da eine Wand im Süden diese im dahinter liegenden Dachraum zurück hält! Durch einen Spalt unter den Ziegeln findet sie einen Weg nach draussen und umfliegt die Hausseite Richtung Süden. Dort inspiziert sie nun das Dach, die Ziegel und findet den einen oder anderen Zugang. Sie überprüft diesen und jenen Zugang und findet neben einer Ausgangstür zur Dachterrasse eine Möglichkeit über das Regenabschlussblech unter einem Ziegel ins innere des Dachstocks zu gelangen. Nach einer ersten ausführlichen Begutachtung, sowohl drinnen wie auch draussen, steht fest – hier bleibt sie!
Ihrem innern Antrieb oder auch ihrer Uhr folgend beginnt sie mit dem Bau eines ersten feinen Ansatzes am Blech im Dachstock gleich beim Sparen neben der Terrassentür. Ihr Baumaterial findet die Hornissenkönigin gleich in der Nachbarschaft an einem morschen Ast einer Birke. Nach und nach wächst aus dem Ansatz ein glänzendes festes Stielchen, welches stark verklebt wird. Unsere Hornissenkönigin nimmt mit ihrem Körper immer wieder Mass, ehe sie mit den ersten Zellen beginnt. Die ersten zwei Zelldächer entstehen und hat die Leibung etwa zwei Millimeter erreicht, werden die ersten Eier in die Zellen geklebt. Ab Mitte Mai wächst der kleine Bau Tag für Tag.



Die Hornissenkönigin im Dachstock beim Nestbau; 18.05.2009


Unsere Hornissenkönigin arbeitet an schönen Tagen fast 17 Stunden am Stück. Kaum eine Ruhepause. Die Larven sind nach fünf Tagen geschlüpft und betteln nun nach Futter. Zu Beginn wird ein reichhaltiger Futtersaft verfüttert. Später in der Entwicklung betteln die Larven nach tierischem Eiweiss. Fortan fliegt die Hornissenkönigin häufiger zur Jagd aus. Sie erbeutet viele verschiedene Fliegenarten, Bremsen, Heuschrecken, von welchen sie nur den muskelreichen Brustteil zur Fütterung ihrer Nachkommenschaft verwendet. Einen Teil davon verzehrt sie selbst, da zur Eiproduktion tierische Eiweisse nötig sind. Sie arbeitet fleissig und unermüdlich.
Unsere Hornissenkönigin baut am Nest, erweitert die Zellen und das Zellendach zu einem ersten kleinen Stockwerk. Auch der Schirm um dieses erste Stockwerk wird fortlaufend erweitert. So bleibt an weniger schönen Tagen, die durch die Hornissenkönigin abgegebene Wärme etwas im Nestbereich gefangen. Wird es hingegen zu heiss, so breitet die Königin auf dem Stockwerkdach herbei getragenes Wasser aus, fächert mit den Flügeln Luft zu und sorgt durch die Verdunstung und die Luftzirkulation für den Abtransport der Wärme. Das Nest wird gekühlt. Unsere Hornissenkönigin jagt und sammelt für sich und die hungrigen Larven im Nest. Die Zellen werden mit dem Wachstum der Larven länger und durch unsere Hornissenkönigin fortlaufend erweitert. Der Schirm wächst allmählich um die errichteten Zellen herum. Genau so weit entfernt, damit sich die Hornissenkönigin ungehindert darunter bewegen kann.

90 - 95% Ausfall in der solitären Phase :
Durch Menschenhand, Umwelt und Rivalitäten unter den Königinnen!

Drei Bilder einer durch Menschenhand getöteten Hornissenkönigin, ...



... welche im Teppenhaus eines Wohnhauses bei einer Umquartierung ...



... aufgelesen und zu Hause fotografiert wurde. Schicksal vieler Wespenköniginnen im Frühling!


Eine andere Hornissenkönigin hat sich einen Meisennistkasten als Nistplatz ausgesucht und hatte bislang eine ähnliche Entwicklung durchlebt. Heute ist jedoch etwas anders! Als sie von ihrer Jagd zurückkehrt, bemerkt sie, dass auf dem Kastendach eine Schwesterkönigin sitzt. Im letzten Herbst im selben Nest zur Welt gekommen, aufgefüttert worden und heute eine Todfeindin - eine Konkurrentin, eine Rivalin! Die Zukunft dieses jungen Staates steht auf Messers Schneide. Die Hornissenkönigin fliegt unter ständiger Beobachtung den Meisennistkasten an und verschwindet im Flugloch. Gleich setzt die „fremde“ Hornissenkönigin zu einem Drohflug an und schwirrt bedrohlich tief brummend vor dem Flugloch Zickzack. Sie setzt sich provokativ neben das Flugloch auf die Front des Vogelkastens. Als die Staatenmutter zum erneuten Ausflug abhebt, wird sie von der „fremden“ Hornissenkönigin verfolgt und kurz attackiert. Die Fremde lässt wieder ab und setzt sich zurück auf das Kastendach.
Als die Staatenmutter nach einigen Minuten mit Baumaterial zum Meisenkasten zurückkehrt, startet die „fremde“ Hornissenkönigin einen Angriff. Im Luftkampf lässt die Staatenmutter das Baumaterialknöllchen fallen, welches sie mühsam zusammen getragen hat. Beide trudeln zu Boden. Die Staatenmutter kann sich befreien und flüchtet in den Vogelkasten. Die „fremde“ Hornissenkönigin setzt sich erneut auf das Kastendach, während sich die Staatenmutter auf ihrer Wabe vom ersten Schreck erholt und sich kurz der Körperpflege widmet.



Während die Staatenmutter in ihrem Nest sitzt,
wird die fremde Hornissenkönigin durch eine Arbeiterin bedroht


Die angespannte Ruhepause hält jedoch nicht lange an, die „fremde“ Hornissenkönigin startet zum entscheidenden Angriff und dringt in den Vogelkasten ein. Sie krabbelt tief atmend und mit den Flügeln bedrohlich zitternd ins Nest hoch. Die Staatenmutter erkennt den Ernst der Lage und geht ihrerseits zur Verteidigung ihres Nestes in Position. Die Kontrahentinnen treffen an der Nesthüllenkante aufeinander und geraten sich in die Antennen, die Beine und an die Flügel. Sie umklammern sich, versuchen sich zu stechen, zu beissen, verlieren den Halt am Nest und stürzen auf das alte Vogelnest im Vogelkasten. Flügel fallen, eine Antenne zuckt zum letzten Mal auf dem Moos des alten Vogelnestes, ein gezielt sitzender Stich. Stille. Krämpfe durchziehen einen der beiden Körper. Sie ist getroffen und erliegt dem „eigenen“ Gift! Die siegreiche Hornissenkönigin beginnt sich zu putzen, ihr fehlt eine Antenne und sonst scheint alles in Ordnung zu sein. Etwas entkräftet krabbelt sie ins Nest um sich auf dem Wabendach kurz eine Ruhepause zu gönnen. Angeschmiegt sitzt die siegreiche Hornissenkönigin auf dem Stockwerkdach, doch es ist nicht die Staatenmutter, sondern die „fremde“ Schwesterkönigin, welche den Kampf um die Vorherrschaft in diesem Revier für sich gewonnen hat.



In diesem Meisennistkasten hatte die Hornissenkönigin bereits einen kleinen Hofstaat, ...



... als sich die fremden Hornissenköniginnen Zutritt verschafft haben und ...



... drei Übernahmeversuche abgewehrt werden mussten! Jedoch erst Anfang Juli 2014 fotografiert


Von alledem hat unsere Hornissenkönigin im Dachstock nichts mitbekommen und ist ihren Aufgaben nachgegangen. Ihre Larven sind in den vergangenen Tagen und Wochen gewachsen, dick, lang und tonnenförmig geworden. Die Larven haben zwar zwei Füsschen, mit denen sie sich an der Zellendecke festhalten können, doch mit zunehmendem Volumen stämmen sie sich mit Hautfalten gegen die Zellwände.
Nach etwa zwei Wochen ist es dann so weit, die erste Larve spinnt einen seidenen Deckel über ihrem Kopf von Zellenrand zu Zellenrand. Aus einer Drüse am Kopf wird ein Sekret ausgeschieden, welches an der Luft zu einem Seidenfaden aushärtet und einen luftdurchlässigen Deckel entstehen lässt. In der Zelle selbst spinnt sich die Larve auch noch in eine Art Kokon ein. In dieser Puppenwiege ist die Larve nun bereit, ihre letzte Häutung bzw. die Metamorphose zum Vollinsekt zu durchlaufen.
In zwei Wochen durchläuft die Larve verschiedene Entwicklungsstadien zum voll ausgeformten "erwachsenen" Insekt - einer Hornissenarbeiterin.
Unsere Hornissenkönigin arbeitet derweil unermüdlich weiter, denn in den Nachbarzellen kratzen die Larven hungrig an den Zellwänden. Nun wird sich etwa alle ein bis zwei Tage eine Larve einspinnen. Die Hülle um die Erstlingswaben hat unsere Hornissenkönigin in den vergangenen Tagen weiter geschlossen. Kugelförmig zieht er sich langsam nach unten enger zu, bis auf eine Öffnung von etwa zwei Zentimeter Durchmesser.

Zweite Woche Juni ;

Unter dem Seidendeckel der zweiten Zelle regt sich etwas. Mit Speichel und ihrer Zunge benetzt die Arbeiterin von innen den Deckel und beginnt mit ihren Kiefern eine Angriffsstelle zu suchen. Nach und nach beisst sich die Arbeiterin aus ihrer Puppenwiege. Unsere Hornissenkönigin kümmert sich kaum um das Geschehen, sie fliegt ihrem Tagesgeschäft nach. Auch in Zukunft werden die Arbeiterinnen sich alleine aus ihren Puppenwiegen befreien müssen. Erst wenn die Arbeiterin sich voll befreit hat, wird sie mit Futter versorgt.



Schlupf einer Hornissenarbeiterin und oben links darüber eine jüngere Arbeiterin
mit glatten Flügeln. Die Hornissekönigin sitzt unterm Schirm auf der Wabe rechts im Bild.


Endlich ist es geschafft. Sie sieht blass aus, aber nicht etwa weil es ihr nicht gut geht oder der Anstrengung wegen, sondern weil ihr Chitinpanzer noch weich ist und die Behaarung am Körper hell anliegt. Auch liegen beide Flügelpaare noch glatt am Körper an. Erst nach mehreren Stunden beginnt sich die Färbung in der gewohnten und späteren Intensität auszubilden. Durch die Bewegung der Flugmuskulatur und das Flattern mit den Flügeln wird es der Arbeiterin auch möglich, ihre Oberflügel der Länge nach zu falten.
Von daher rührt auch der Name Faltenwespe für die ganze Familie der Vespidae!

Nun wäre sie eigentlich bereit auszufliegen, doch noch fehlt das Training. Als erstes widmet sich die Arbeiterin nun ihrer Zelle und säubert diese. Kopfüber hinein gestiegen wärmt die Arbeiterin ihre Kolleginnen im Puppen- oder Larvenstadium in den Nachbarzellen. Als nächstes erledig sie kleinere Arbeiten im Nest und erkundet dasselbe. Mit Spaziergängen zum Nesteingang oder Zugang erweitert die junge Arbeiterin ihren Radius und beginnt mit den ersten Flugübungen. Auch das Fliegen will gelernt sein und zu Beginn wirkten die Flugübungen noch sehr unbeholfen. Nach und nach wird dies Abheben, zum Eingang drehen und davor einige Male zu pendeln sicherer und in grösser werdenden Abständen zu beobachten sein. Die junge Arbeiterin prägt sich so den Eingang und die umgebende Struktur ein; prägt sich Markpunkte ein. Etwa am dritten Tag folgt dann der erste Ausflug. Ihre ersten Aufgaben werden die Besorgung von Wasser, Baumaterial, Kohlenhydraten bzw. unterschiedlichen Zuckersäften für die Nestlinge oder die Belüftung des Nestes sein.

Auch bei der siegreichen Hornissenkönigin im Vogelnistkasten hat sich unterdessen einiges getan. Auch sie hat zur Entlastung bereits mehr als ein Dutzend Arbeiterinnen und fliegt nicht mehr selber aus. Eine gefahrvolle Zeit findet langsam ein Ende!